Kommentar zu „Peter Haber - Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter"

In den letzten 30 Jahren wurde die wissenschaftliche Arbeit auch im Bereich der Geistes- und
insbesondere der Geschichtswissenschaften durch die Einführung neuer Medien und
technischen Entwicklungen einem rasanten Wandel unterzogen. Wurde der Computer
zunächst nur als Ersatz für Schreibmaschinen betrachtet bzw. für statistische Auswertungen
herangezogen, so sind Computer und Internet (samt den dadurch entstandenen Möglichkeiten
wie OPAC, E-Mail, „Newsletter“, „World Wide Web“ etc.) derzeit aus einem Büro und aus
dem Arbeitsalltag jedoch nicht mehr weg zu denken. Peter Haber, Autor von
„Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter. Eine Zwischenbilanz“, greift in seinem
Artikel als wesentliche Punkte und gewandelte Gegebenheiten insbesondere das
Recherchieren und Publizieren im Netz, sowie die Hypertextualität und Multimedialität des
Internets heraus.
Hinsichtlich des Publizierens stellt Haber fest, dass „sich das World Wide Web als
Publikationskanal für geschichtswissenschaftliche Arbeiten nur sehr zögerlich durchsetzt“.
Artikel werden immer noch bevorzugt in gedruckten Zeitschriften als in e-journals, blogs oder
ähnlichem veröffentlicht. Zwei Ausnahmen stellen seiner Ansicht lediglich H-Soz-u-Kult
sowie die e-journals Zeitenblicke und Sehepunkte dar. Haber hat mit dieser Aussage recht.
Meines Erachtens wird das Medium Internet gerade in geisteswissenschaftlichen Fächern zu
wenig zum Publizieren genutzt - selbst wenn das gedruckte Medium als Publikationsmedium
bevorzugt wird, sollten die Artikel auch parallel im Netz zugänglich gemacht werden (so wie
es bei rechtlichen Fachartikel seit längerem durch Plattformen wie die Rechtsdatenbank
gelebte Praxis ist). Dem Erschwernis der vollständigen Archivierung und der
unangenehmeren Lesbarkeit stehen bei Publikationen im „WWW“ die leichte Auffindbarkeit,
das Erreichen einer größeren Leserschaft und eine stärkere und auch leichteren Verbreitung
von Argumenten und Thesen gegenüber.
Ein weiterer Vorteil bei Publikationen im Netz ist die von Haber angesprochene
Multimedialität d.h. Texte können nicht nur mit Bildern (wie bei gedruckten Werken),
sondern auch mit audiovisuellem Material (Töne und bewegte Bilder) verbunden werden.
Dies ermöglicht meiner Ansicht nach - und ich teile hier die Meinung Habers - nicht nur einen
umfassendere sondern auch eine authentischere Information über Geschehnisse und
Entwicklungen. Darüber hinaus können dadurch auch wichtige Nebeninformationen (wie z.B.
bei Interviews Emotionalität in der Stimme, Klang etc.) transportiert werden. Die
(wissenschaftliche) Verwendung dieser neuen Möglichkeiten und der neuen audiovisuellen
Quellen birgt jedoch auch große Gefahren (Fälschungen, Manipulationen,…), so dass der
Umgang mit diesen Quellen erst „eingeübt werden muss wie dies beim Umgang mit Bildern
vor einigen Jahren auch der Fall war“.
Das Internet und das World Wide Web selbst eröffnen auch neue Chancen und Möglichkeiten
beim Recherchieren. War man zunächst gerade bei den Geisteswissenschaften den Quellen
und Informationen aus dem Internet laut Haber, eher skeptisch und misstrauisch gegenüber
eingestellt, so wurde diese Einstellung auf der einen Seite überdacht auf der anderen Seite
wurden mittlerweile Datenbanken (Historyguide, Clio-online) geschaffen, die den
wissenschaftlichen Anspruch genügen. Problematisch sind nach wie vor Recherchen auf
Suchmaschinen wie Google: Informationen müssen und sollen immer unter dem
Gesichtspunkten wie Werten, ökonomischen, politischen kulturellen Einflüssen, Umfeld des
Autors gesehen werden. Diese Betrachtung ist jedoch bei vielen im Netz gefundenen
Informationen nicht oder nur schwer möglich. Eine Verwendung solcher Informationen ist
daher nur eingeschränkt und erst nach genauer Prüfung möglich und ratsam. Haber meint zu
Recht, dass in diesen Bereichen Quellenkritik erst „neu eingeübt werden muss“. Für mich
überwiegen jedoch die Vorteile der Internetrecherche (Struktur, Auffindbarkeit,
Stichwortsuche, Angebot, Vielfältigkeit etc.) gegenüber den Nachteilen - die aufgezeigte
Notwendigkeit die gefundenen Informationen in Relation zu setzen bleibt jedoch aus meiner
Sicht unbestritten.
(Peter Haber, Geschichtswissenschaften im digitalen Zeitalter. Eine Zwischenbilanz. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 56 (2006), 2, S. 168-183)

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